Meine Musiklehrerin

Es riecht wie Klavierlack und polierter alter Duysen.

„Es geht hurtig durch Fleiß. Geh Du Alter Esel hole Fische. Frische Brötchen essen Asse des Gesangsvereins“, sagte Irmgard Köhler meine Klavierlehrerin, eine bömische Gastwirtstochter, die mit mir J.S.Bach anstatt Peter Alexander machte, wie es mein Vater wollte, und ihn dann mit Mozarts ‚Rondo Alla Turca‘ rumbekommen hat, dass ich weiter Klassik durfte, bei uns zuhause auf dem konzertschwarzen Duysen-Piano, das der Vater (Möbeltischler) an den Wochenden aufpoliert hatte.

Für 100 Mark erstanden in einer Kneipe um die Ecke, wo es manchmal noch belustigte, wenn einer den Flohwalzer drauf probierte oder ein Soldatenlied. 100 Mark! Das war ein Batzen Geld, deshalb konnte das polierte Instrument nicht auch noch gestimmt werden. Aber Frau Köhler war tapfer und lobte den Anschlag. Ich dachte sie würde sagen, ‚Außen Hui, innen Pfui!‘, wie man damals unter Proletariern gern über die schick angezogenen Frauen von kleinen Angestellten sagte, genauso schick angezogen , wie Frau Köhler, die aber keinen Mann mehr hatte und sowieso keinen mehr wollte.

Aber nein, Frau Köhler sagte: „Musik ist die einzige Quelle aus der Versöhnung in allen Lebenslagen sprudelt.“ Und bevor sie sich von Mutti und Vati und mir verabschiedete, schon in Hut und Mantel sozusagen und aus der Tür, erwähnte sie noch, dass sie einen billigen Klavierstimmer hat, den sie uns gelegentlich mal vorbeischicken würde, wenn sie darf. Eigentlich war er nicht billig sondern kostenlos.  Denn das Geld für die nächste Klavierstunde wollte sie nicht annehmen.